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Was ist ein Trauma?

Somatic Experiencing - Berlin & München

Jeder Mensch kann im Alltagsleben Erfahrungen machen, die ihn überwältigen und über alle Maßen ängstigen. Er kann in einen Autounfall geraten, Opfer eines Überfalls werden oder einen geliebten Menschen sterben sehen. Solche drastischen Erlebnisse können einen Menschen tief beeindrucken und auch psychisch verletzen. Eine solche Verletzung wird als „Trauma“ bezeichnet.

Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Das Alltagsleben geht nach dem Ereignis weiter und die meisten Menschen lernen, damit fertig zu werden, ohne dass sie Hilfe erhalten haben. Nach ein paar Wochen lassen die heftigen Gefühle und Symptome langsam nach. In manchen Menschen verursacht solch ein traumatisches Ereignis jedoch eine Reaktion, die noch Monate und Jahre anhält. Die Reaktion auf das Trauma bezeichnet man als „Posttraumatische Belastungsstörung“ PTBS, engl. Posttraumatic Stress Disorder: PTSD.

Was verursacht Trauma und PTBS?

Schock-Traumata verursachen eine PTBS, ausgelöst z.B. durch

  • Autounfall, Unfälle, Stürze aus großer Höhe (selbst erlebt oder miterlebt!)
  • Militäreinsatz, Folter, Katastrophen
  • Verlust von Gliedmaßen, Verstümmelung
  • Schlägerei, Vergewaltigung, Missbrauch, Überfall
  • Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit
  • Operation (auch Zahn-OP), Verletzung, Geburtsstress
  • Verlust einer geliebten Person

Was für den einen Menschen nur ein massiver Nervenkitzel ist, kann auf einen anderen traumatisierend wirken. Generell gilt: Je heftiger und bedrohlicher das Ereignis ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Körper die Energie nicht mehr verkraftet und mit Symptomen antwortet.

Symptome einer PTBS

Viele Menschen haben nach einem traumatischen Erlebnis Gefühle von tiefer Trauer, Depression oder Schuld und Wut. Neben diesen sehr verständlichen Emotionen gibt es drei Symptome, die oft vorkommen und über Jahre anhalten können:

  • Flashbacks und Albträume
    Sie erleben das Ereignis wieder und wieder. Diese Flashbacks können äußerst realistisch sein mit all den Emotionen, Schweißausbrüchen und Geräuschen von damals. Unwesentliche Dinge im Alltag können einen Flashback bewirken. Wenn Sie zum Beispiel einen Autounfall bei Regen hatten, so kann ein regnerischer Tag einen Flashback auslösen.
  • Vermeidungsverhalten und Taubheit
    Das Erlebnis kann so schmerzhaft oder aufwühlend gewesen sein, dass Sie jeder Erinnerung daran aus dem Weg gehen. Sie versuchen sich abzulenken, vielleicht durch ein Hobby, durch zu viel Arbeit oder indem Sie Ihre Zeit mit Kreuzworträtseln verbringen. Sie vermeiden Plätze, Situationen und Menschen, die Sie daran erinnern. Sie versuchen mit Ihren Gefühlen klar zu kommen, indem Sie gar nichts mehr fühlen. Sie werden emotional taub. Sie kommunizieren weniger mit Menschen. Diese empfinden dann das Zusammenleben oder das Zusammenarbeiten mit Ihnen als anstrengend.
  • Überhöhte Wachsamkeit
    Sie sind dauernd auf der Hut. Sie können nicht entspannen, Sie schlafen schlecht und Ihre Mitmenschen empfinden Sie als sprunghaft, reaktionsschnell und leicht irritierbar. Sie selbst wissen nicht, warum das so ist.

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Photo by Nicole-Mason on Unsplash

Weitere PTBS-Symptome sind

  • Verspannungen, Muskelschmerzen
  • Durchfall
  • Kopfschmerzen
  • Gefühle von Panik und Angst
  • Depression
  • Unregelmäßiger Herzschlag (Palpitationen)
  • Zu hoher Alkoholgenuss
  • Drogen- und Schmerzmittelkonsum

Woran erkenne ich, dass ich eine PTBS habe?

Sie hatten ein entsprechendes Erlebnis.

  • Sie haben Flashbacks, lebhafte Erinnerungen oder Albträume.
  • Sie vermeiden alles, was Sie daran erinnert.
  • Sie empfinden sich als emotional stumpf oder taub.
  • Sie sind dauernd auf dem Sprung, schnell irritierbar, wissen aber nicht, warum.
  • Sie lenken sich ab, um damit klar zu kommen.
  • Sie sind depressiv und erschöpft.
  • Der Umgang mit anderen fällt Ihnen schwer.
  • Sie essen mehr, trinken mehr Alkohol, nehmen Drogen oder Beruhigungsmittel.
  • Ihre Emotionen schießen unkontrolliert hoch.

Ist das Ereignis weniger als sechs Wochen her und die Symptome nehmen langsam ab, so gehört dies zum normalen Anpassungsprozess.
Liegt das Ereignis mehr als sechs Wochen zurück, ohne dass die Symptome besser werden, sollten Sie mit einem Arzt reden.


„Einige Traumata – Verlust, Tod, Unfälle, Krankheit oder Missbrauch – sind offensichtlich. Andere, wie der emotionale Verlust eines ungeliebten Kindes, sind subtiler. Und einige, wie meine eigenen Gefühle der Entfremdung, schienen aus dem Nichts zu kommen. Aber es ist schwer, sich den Umfang eines individuellen Lebens vorzustellen, ohne sich eine Art Trauma vorzustellen. Und es ist schwer für die meisten Menschen zu wissen, was sie dagegen tun sollen. . . Es ist selten, dass jemand durchs Leben kommt, ohne ein Trauma zu erleiden. . . (Mein Vater) tat sein Bestes, um es aus seinem Bewusstsein zu halten, so lange er konnte.“

Mark Epstein, The Trauma of Everyday Life


Warum wird eine PBTS oft nicht erkannt?

  • Sie reden nicht gerne über Dinge, die Sie aufwühlen, die Sie beunruhigen oder tief ängstigen (Das ist bei den meisten Menschen so.).
  • Nahestehende und selbst Ärzte fühlen sich unwohl, wenn Sie versuchen, über grausame Ereignisse zu reden. Warum sollten Sie sich dann diesen Menschen offenbaren?
  • Sie möchten nicht zugeben, dass Sie das eine oder andere Symptom haben, weil Sie nicht möchten, dass man Sie als schwach oder psychisch instabil einschätzt.
  • Sie bemerken ein paar Symptome, jedoch erkennen Sie weder deren Zusammenhang noch deren Ursache.
  • Es fällt Ihnen viel leichter, über begleitende Probleme zu reden (wie z.B. Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Verspannungen, Probleme mit Alkohol oder mit der Arbeit) als über die Ursache selbst.
  • Sie haben die Hoffnung, dass die Symptome irgendwann von selbst aufhören.

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Photo by Jordy Meow on Unsplash

Was sind Komplextraumata (Komplexe PTBS) ?

Menschen mit einem komplexen Trauma haben eine Geschichte hinter sich, in der sie einer – lang anhaltenden, totalitären – Kontrolle  unterworfen waren. Dazu gehören

  • Sexueller Missbrauch
  • Sexueller Missbrauch bei Kindern
  • Vernachlässigung in früher und frühester Jugend
  • Physischer Missbrauch
  • Emotionaler Missbrauch
  • Häusliche Gewalt
  • Folter, Konzentrationslager – und all die Formen von Traumata, in denen das Opfer nicht fliehen kann oder glaubt, nicht fliehen zu können, z.B. wenn es unter einer Lawine verschüttet ist und nicht weiß, ob Hilfe kommt.

„In uns allen gibt es eine Kraft, die spontan nach Kontakt, Gesundheit und Lebendigkeit strebt. So sehr wir uns zurückgezogen und isoliert haben oder so gravierend das erlebte Trauma auch sein mag – auf der tiefsten Ebene gibt es in jedem und jeder von uns einen Impuls in Richtung In-Verbindung-Sein und Heilung, vergleichbar damit, wie die Pflanze dem Sonnenlicht entgegenwächst.“
Laurence Heller/Aline LaPierre, Entwicklungstrauma heilen


Symptome einer komplexen PTBS

Komplexe Traumata entstehen Wochen oder Monate nach dem Ereignis, aber es kann Jahre dauern, bis sie erkannt werden. Der Verlust von Vertrauen in die Menschen – und in die Welt ganz allgemein – ist zentraler Bestandteil einer komplexen PTBS. Einige Kinder reagieren darauf, indem sie defensiv oder aggressiv sind. Andere Kinder klinken sich aus dem Geschehen aus und wachsen mit einem Gefühl von Scham und Schuld auf. Sie fühlen sich in ihrer Haut unwohl und haben keine Zuversicht.

Zu den klassischen Symptomen einer PTBS kommen bei der komplexen PTBS folgende Symptome hinzu:

  • Gefühl von tiefer Scham und Schuld, mangelnder Selbstwert, negatives Selbstbild.
  • Gefühl von Benommenheit oder Betäubtsein.
  • Gefühl von Entfremdung (Depersonalisierung).
  • Gefühl von Hilflosigkeit, Wehrlosigkeit und Ausgeliefertsein.
  • Gefühl von unterschwelliger Bedrohung.
  • Mangel an Körpergefühl bis hin zum blackout von Körperarealen.
  • Sie können niemandem vertrauen und möchten am liebsten immer die Kontrolle behalten.
  • Sie können sich nicht freuen, reagieren nicht auf die Freude anderer, Mangel an Empathie.
  • Sie kontrollieren Ihre Gefühle durch Drogen oder Alkohol.
  • Sie koppeln sich innerlich vom Geschehen in Ihrer Umgebung ab (dissoziiert).
  • Sie können Ihre Gefühle nicht in Worte fassen.
  • Sie beschäftigen sich sehr oft mit Suizidgedanken.
  • Sie gehen spontan ins Risiko, tun spontan Dinge, haben Probleme mit Aggression und Impulskontrolle.
  • Sie haben Probleme mit dem Kontakt zu anderen Menschen. Sie haben das Gefühl nirgendwo dazu zu gehören und kommen sich wie eine Last vor.
  • Sie haben Probleme Grenzen zu setzen und unverblümt Nein zu sagen.
  • Sie fühlen sich dauernd belastet und unter Druck.
  • Sie entdecken an sich sehr viele Makel und reagieren sehr verletzlich auf Ablehnung.
  • Sie wissen einfach nicht was Sie brauchen und haben das Gefühl, dass Ihre Bedürfnisse es nicht verdienen, erfüllt zu werden.

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Photo by Carolina Heza on Unsplash

Verschlimmernde Faktoren bei der komplexen PTBS sind:

  • Je jünger die Person, desto schlimmer das Trauma
  • Das Trauma wird von der primären Bezugsperson (z.B. der Mutter) verursacht
  • Das Trauma hält für lange Zeit an
  • Sie sind isoliert
  • Sie haben weiterhin Kontakt zu der Person oder Situation, die Sie bedroht oder missbraucht

Lesenswerte Bücher zum Thema sind:

Judith Lewis Herman, Die Narben der Gewalt, 400 S., 34,90 €, Junfermann Verlag, ISBN 978-3873875258 (die englische Ausgabe, Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence–From Domestic Abuse to Political Terror)
J. L. Herman ist Professorin an der Harvard Universität und hat den Begriff der „Komplexen PTBS“ eingeführt. In ihrem Buch beschreibt sie die Auswirkungen und die Parallelen von häuslicher Gewalt, von privatem Terror wie Vergewaltigung und von öffentlichem Terror, wie ihn Veteranen und Opfer politischen Terrors erlebt haben. Das Buch vermittelt ein Verständnis für Probleme, die bisher als „persönliche Probleme“ abgetan wurden, und setzt diese in Bezug zu einem größeren sozio-politischen Rahmen. Im Jahr 1992 erschienen, hat das Buch das Denken über Traumata und die Art, wie ein Trauma behandelt wird, verändert.

Susan Hart, The Impact of Attachment: Developmental Neuroaffective Psychology, 427 S., 40,95 €, W. W. Norton & Company, ISBN 978-0393706628
Susan Hart, Brain, Attachment, Personality: An Introduction to Neuroaffective Development, 400 S., 54,40 €, Karnac Books , ISBN 978-1855755888
Susan Hart kombiniert die Erkenntnisse der Neurobiologie mit denen über zwischenmenschliche Beziehungen und zeigt die Auswirkungen auf frühe kindliche Bindungsmuster. Mit vielen Beispielen aus dem täglichen Leben und aus ihrer Praxis erklärt sie, wie sich eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung entwickelt und was alles schief gehen kann.

Laurence Heller/Aline LaPierre, Entwicklungstrauma heilen, 432 S., 29,99 €, Kösel-Verlag, ISBN 978-3466309221 (die englische Ausgabe, Healing Developmental Trauma)
Dieses Buch untersucht die tiefsten menschlichen Bedürfnisse. Es führt zu einem tiefgreifenden Verständnis der fundamentalen Konflikte zwischen Eins-Sein und Getrennt-Sein, diesen zwei scheinbar unvereinbaren Gegensätzen, und zeigt einen Weg zu persönlichem Wachstum und Reife. Es beschreibt, wie frühe Kindheitstraumata die Fähigkeit für eine Beziehung zu sich selbst und zu anderen untergraben. Die daraus resultierende verminderte Lebhaftigkeit ist die verborgene Dimension hinter vielen psychologischen und physiologischen Problemen.


Quellen:
http://patient.info/health/post-traumatic-stress-disorder-ptsd
http://en.wikipedia.org/wiki/Complex_post-traumatic_stress_disorder


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